Frank Hilderts ist Interim CIO mit mehr als 20 Jahren Erfahrung aus über 33 erfolgreichen Mandaten. Mit einer außergewöhnlichen Bandbreite und Tiefe an Erfahrung vereint er fundiertes IT-Management-Know-how über mehr als zehn Branchen hinweg. Neben Projekten in der DACH-Region war er auch in mehreren europäischen Ländern sowie in Südostasien tätig. Diese internationale Perspektive, verbunden mit Erfahrungen in Unternehmen unterschiedlichster Größen – vom gehobenen Mittelstand über Start-ups bis hin zu Konzernen – ermöglicht es ihm, Best Practices gezielt zu übertragen und komplexe Transformationsvorhaben effektiv zu gestalten.
Im Interview berichtet Herr Hilderts, wie er in den ersten 90 Tagen als Interim CIO vorgeht.
AURUM: Herr Hilderts, Sie arbeiten seit vielen Jahren als Interim Manager im IT-Bereich, darunter auch als CIO. Können Sie kurz erzählen, in welchen Situationen Unternehmen Sie typischerweise holen?
FH: Unternehmen holen mich üblicherweise für eine Geschäftsstabilisierung, etwa bei IT-Turn-Around-Situationen in denen die IT eine Gefahr für die Unternehmensgruppe zu werden droht, oder in Endlagen-Situationen, in denen die IT aus einer Abwärtsspirale rausgeholt werden muss.
Man holt mich für die Steigerung des Unternehmenswerts durch IT-Carve-Outs, Post Merger-Integrationen, Reorganisationen, Transformationen oder um Investitionen zu schützen.
AURUM: Was sind Ihre wichtigsten Ziele in den ersten 30 Tagen als CIO in einem neuen Unternehmen? Was sollte nach 90 Tagen idealerweise sichtbar oder erreicht sein?
FH:
Erste 30 Tage
- Position etabliert und technische Kompetenz demonstriert – IT-Management-Position gefestigt und als relevanter Faktor wahrgenommen, technische Kompetenz bei den größten IT-Herausforderungen unter Beweis gestellt, vollständiges IT-Status-Quo erfasst
- Änderungsbereitschaft geschaffen und Weichen gestellt – Notwendigkeit für Veränderungen von allen Beteiligten akzeptiert, alle Änderungen mit Point-of-no-Return initiiert, kritische Systeme stabilisiert
- Vertrauen und erste Quick Wins definiert – Vertrauen zwischen IT-Leadership und Board/Management hergestellt, konkrete schnell umsetzbare Verbesserungen identifiziert, Schlüsselpersonal gesichert
Nach 90 Tagen
- Change-Allianz aufgebaut und Leadership-Crew ausgerichtet – Unterstützer für Veränderungen erfolgreich gewonnen, Unentschlossene überzeugt, motiviertes und geschultes Team etabliert, unproduktive IT-Gewohnheiten abgeschwächt
- Planbarkeit und Governance etabliert – Vorhersagbarkeit für IT und Stakeholder geschaffen, Adaptionsvermögen der Organisation bestimmt und Vorgehensgeschwindigkeit daran angepasst, angemessene Interessenbalance bei IT-Stakeholdern gefunden, IT-Governance-Veränderungen etabliert
- Formale Zusammenarbeit und Quick Wins realisiert – Als Ansprechpartner positioniert, formale Zusammenarbeit mit Fachbereichen etabliert, erste messbare Verbesserungen sichtbar, Reduktion kritischer Vorfälle erreicht
AURUM: Wie verschaffen Sie sich einen Überblick über IT-Strukturen, Teams und laufende Projekte?
FH: Ich nenne das „Listen-and-Learn Tour“: Ich setze mich in systematischen Einzelgesprächen mit eben jenen Personen zusammen, die in ihrer jeweiligen Jurisdiktion über die Geschicke der IT zu befinden haben: Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsräte, Eigentümer, Mitarbeitervertreter, Fachbereichsleiter und – worauf es letztlich ankommt – der IT-Führungscrew sowie den entscheidenden Operativen im IT-Betrieb. Grundlage dieser Gespräche sind auf die spezifische Ausgangslage der Unternehmensgruppe zugeschnittene Fragenkataloge, Datenlisten und Vor-Ort-Aufnahmen, die ich über viele Jahre verfeinern habe.
Freilich ist dies ein erheblicher Aufwand in den ersten drei Wochen. Aber – und hier lohnt sich die Anstrengung – es schafft jenes Vertrauen, das ohne die Evidenz meiner Kompetenz und der Angemessenheit meiner Interventionen nicht zu haben ist. Überdies verschafft es mir Zugang zur Organisation in jener Tiefe, die reine Dokumentenanalyse gar nicht zu leisten vermag. Denn erst dann kann ich mir ein belastbares Bild zur Führungsstruktur, zur tatsächlichen Umsetzungsfähigkeit, zur Alignment-Kapazität und – dies ist das Entscheidende – zur Veränderungsfähigkeit sowie zu den personen-bedingten Risiken machen, die sonst im Verborgenen blieben und die Ergebnisse zu unterminieren drohten.
AURUM: Welche Personen oder Abteilungen sind in dieser Phase besonders wichtig für Sie? Wie binden Sie Geschäftsführung und andere Fachbereiche in Ihre Planungen ein?
FH: Das hängt von der Herausforderung ab – und von der Ausgangslage der Unternehmensgruppe.
In einer harmonie-orientierten Unternehmenskultur z.B., in der offene und klare Worte eher negativ besetzt sind, gehe ich direkt in die 1:1-Gespräche, mit den relevanten Meinungsführern und Hierarchen und führe Entscheidungen mittels „Nemawashi“ (根回し) herbei.
Bei strukturell orientierten Herausforderungen, wie z.B. einem Carve-Out, in technisch- und betriebswirtschaftlich ausgerichteten Unternehmensgruppen, gehe ich eher Stakeholder-analytisch mit einer höheren Detailtiefe in der Vorgehensstruktur vor, z.B. mit Informierungen, Konsultationen, Approvals, Workshops, Townhalls und kleinen schlanken Teams (Schnellboote).
AURUM: Wie gehen Sie mit bestehenden Problemen oder Spannungen im IT-Bereich um, bevor Sie eingreifen?
FH: Ich sorge zuerst dafür dass ich verstehe, ob es sich um Probleme auf der Ebene der IT-Führung handelt (fehlende Führung, Widerstand gegen Veränderungen, Performance-Probleme), um geschäftsgefährdende IT-Themen (Major Incidents, gescheiterte Transformationen, Legacy-System-Krisen) oder um Spannungen in Strukturveränderungen wie Mergers und Carve-Outs.
Bei Personal-Spannungen, z.B. alten Groll, sichtbar gewordene Verwüstung und Scorched-Earth-Mentalität, setze ich Zusammenarbeits-Standards, klare Prozesse und Governance, um die Angriffsflächen zu reduzieren.
Bei organisatorischen Spannungen: repositioniere ich die IT innerhalb des Unternehmens, öffne die IT für Zusammenarbeitsfelder und stelle sicher, dass die IT-Sicherheit nicht zu Lasten der operativen Effizienz geht (was häufig zu Konflikten führt).
Bei Vertrauensverlust in die IT-Führung: suche ich bewusst Rat von Leuten in der IT die intelligenter sind als ich, ich gehe mehr in die Führungsposition als ins Management, ich ersetze Nullsummen-Games mit Win-Win Situationen, ich teile den Erfolg und den Reputationszuwachs mit den Leuten und ich halte genügend Zeit pro Woche frei für hoch-priorische Anliegen der IT und der Unterstützung der Leute in der IT.
AURUM: Können Sie ein Beispiel nennen, wie Sie in dieser Phase Vertrauen im Unternehmen aufgebaut haben?
FH: Ausgangssituation: Ein Teil eines Pharmaunternehmens wurde abgetrennt und verkauft. 32 Standorte in 8 Ländern in der EU, 30 Direct Reports in der IT. Standort- und Abteilungsschließungen standen unmittelbar bevor. Die IT war nicht adäquat vorbereitet, es wurden alte Rechnungen beglichen, es drohten erhebliche Vertragsstrafen und der Abgang von fähigen Leistungsträgern.
Statt die Teams anzuordnen zusammenzuarbeiten, habe ich mit beiden Seiten 41 kritische Annahmen erarbeitet, die als gemeinsame Grundlage dienten. Das klingt formalistisch, war aber psychologisch entscheidend – es zwang beide Seiten, zuzuhören statt einander zu bekämpfen. Ich habe danach die Denkweisen von Schuldzuweisungen zu gemeinsamen Problemlösungen verschoben und der IT-Organisation Struktur und vorzeigbare Fortschritte verschafft: jeden Tag konnten so Punkte abgehakt werden und schnelle Gewinne erzielt werden, die Vertrauen aufbauten. Ich positionierte mich zusätzlich nicht auf einer Seite, sondern als „Trusted Advisor“ für beide. Das war schwerer für mich als die formale Autorität, aber es schuf Raum für die Leute, ihre Position zu verlassen ohne das Gesicht zu verlieren.
AURUM: Wie messen Sie, ob Sie auf dem richtigen Weg sind?
FH: “You can’t manage what you can’t measure” funktioniert eher im Regelbetrieb, als bei fundamentalen Veränderungen. Dazu kommt dass die wirklichen Ergebnisindikatoren in der Regel von zu vielen vernetzten Faktoren abhängen, als dass man einzelne Stellgrößen davon abhängig machen kann. Aber es gibt dennoch einige Faktoren anhand derer ich regelmäßig meine Arbeit messe. Der Wichtigste ist natürlich die Erreichung der vereinbarten Ziele, aber gleich danach sind es gestoppte ungeplante Fluktuation, zunehmende übergreifende Zusammenarbeit oder eine sich auflösende Schuldkultur. Aber auch geschäftsgefährdende Betriebsstörungen (Major Incidents) oder der Wertzuwachs der Unternehmensgruppe oder eine bessere Kosteneffizienz sind gute Indikatoren.
AURUM: Wenn Sie Ihre ersten 90 Tage im Unternehmen in drei Stichpunkten zusammenfassen müssten – wie würden die lauten?
FH:
1. Verstehen, Vertrauen aufbauen, Handlungsfähigkeit herstellen
2. Evidenzbasierte Führung etablieren und Weichen stellen
3. Veränderungen verankern und liefern
AURUM: Vielen Dank für das ausführliche Gespräch!
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