Spricht man mit mittelständischen Unternehmern über die digitale Transformation, dann kommen grundlegende Fragen auf: Was bedeutet diese Entwicklung für mein Unternehmen? Wo stehen wir – auch im Vergleich zu anderen Unternehmen? Wie schnell geht der Wandel voran und wie sind wir betroffen? Wo liegen unsere größtmöglichen Potentiale? Womit sollen wir anfangen? Haben wir die Mannschaft für die Umsetzung?
Wie stellt ein Unternehmen seinen digitalen Reifegrad fest?
Eine Hilfe zur Beantwortung dieser Fragen sind digitale Reifegradmodelle. Diese folgen der Überlegung, dass die digitale Transformation ein Querschnittsthema ist und Teilstrategien in einem Geschäftsbereich alleine nicht ausreichen, um die Transformation erfolgreich zu gestalten. Reifegradmodelle betrachten die Digitalisierung umfassender aus der Sicht des gesamten Unternehmens und nehmen Themen wie Ressourcen, Kanäle und IT aber auch Merkmale wie Kultur oder Leadership auf.
Digital Readiness Modell des BVDW
Ein gutes Beispiel für ein Reifegradmodell ist das „Digital Readiness Modell“ des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft e.V. (BVDW). Die Unternehmen werden dabei je nach digitalem Reifegrad in eine von 5 Gruppen eingeteilt:
1. Ruhe-Phase
Der Reifegrad „Ruhe-Phase“ zeichnet dadurch aus, dass es im Unternehmen keine angepasste Strategie hinsichtlich der Digitalisierung und keine Verknüpfung der verschiedene Kontaktpunkte und Absatzkanäle gibt.
2. Starter-Phase
Unternehmen, bei denen bereits erste digitale Projekte erkennbar sind, werden als „Starter“ bezeichnet. Einzelne Teilbereiche der Organisation, wie beispielsweise das Marketing oder der Vertrieb, befassen sich mit Pilotprojekten, die aber noch ein Inseldasein haben und keiner ganzheitlichen Strategie folgen. Der Kompetenzaufbau findet lediglich stark konzentriert bzw. sogar isoliert bei einzelnen Experten statt. Ein kultureller Wandel, sowie der Aufbau neuer Steuerungs- und Geschäftsmodelle sind noch nicht in Sicht.
3. Pilot-Phase
Beim Reifegrad „Pilot-Phase“ entwickeln sich erste Erfahrungen mit digitalen Ansätzen, die zu Bereichsstrategien konsolidiert werden. Es gibt ein erstes Commitment im Führungssystem und es werden „Governance“-und Steuerungsmodelle auf Pilot- und Bereichsebene erprobt. Durch permanente Diskussionen, rund um das Thema, entwickelt sich eine frühe Kultur des Wandels.
4. Digitalisierungs-Phase
Beim Reifegrad „Digitalisierungs-Phase“ entsteht durch Diskussionen rund um die wirtschaftlichen Effekte digitaler Strategien eine tiefere Integration in Betriebs- und Geschäftsprozesse. Die Digitalisierung erreicht die Führungsstrategie, Kernprozesse, Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens. Der kulturelle Wandel gewinnt an Dynamik und der Erfolg des Wandels ist schon erkennbar.
5. Digitalisiert-Phase
Der Reifegrad „Digitalisiert“ zeichnet sich dadurch aus, dass durch die Integration der Digitalisierung in Kernprozessen, Produkten und Dienstleistungen neue Ansätze im Geschäfts- und Betriebsmodell entstanden sind. Konsistent verzahnte ineinandergreifende Strategie für die Online- und Offline-Welt werden durch alle Instanzen gelebt. Die Kultur der Organisation hat sich nachhaltig verändert und der Erfolg des Umdenkens und Handelns, im Sinne der Digitalisierung, wird deutlich messbar.
Wo stehen deutsche Unternehmen?
Eine aktuelle Umfrage des BVDW unter 100 deutschen Unternehmen aus den Branchen Handel, Produktion und Herstellung legt nahe, dass sich gemessen an dem Reifegradmodell, mehr als die Hälfte der Unternehmen in den Phasen 1-3 befindet. Laut einer aktuellen Bitkom-Studie stellen sich deutsche Unternehmen in einer in Sachen Digitalisierung nur ein ‘befriedigend‘ aus. Die Corona-Krise sei dabei ein Weckruf, die Digitalisierung massiv voranzutreiben, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg.
Wie geht es weiter?
Je nach Einstufung im Reifegradmodell nehmen die Aufgaben der digitalen Transformation einen anderen Fokus:
- Für Unternehmen, die sich in den Phasen 1 und 2 befinden, gilt es zunächst, Mitarbeiter und Entscheider für den digitalen Wandel zu sensibilisieren, den Status quo zu erheben, Ressourcen bereitzustellen und erste digitale Projekte mit sichtbaren Erfolgen abzuschließen
- Für Unternehmen in den Phasen 3 und 4 gilt es ganzheitliche digitale Strategien zu verabschieden, diese umzusetzen und vor allem den organisatorischen und kulturellen Change voranzutreiben. Hier darf es kein Auseinanderlaufen aus „harten“ und „weichen“ Faktoren geben
- Für Unternehmen in der Phase 5 gilt es, sich nicht auf den Erfolgen auszuruhen, sondern ein kontinuierlich innovatives ´Ökosystem´ zu etablieren
Fazit
Die digitale Transformation ist eine Reise, kein Ziel. Bei der Frage, wo sich ein Unternehmen auf dieser Reise befindet, können digitale Reifegradmodelle eine Hilfestellung bieten – als ein Startpunkt um den individuellen Veränderungskurs zu bestimmen. Die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen steht dann noch auf einem anderen Blatt: hier kann ein Interim Manager helfen, die unternehmerische Herausforderungen zum wirtschaftlichen Erfolg zu führen.